26.11.2019, Nordseezeitung Bremerhaven:
Wenn ein Chor wie ein Glockengeläut klingt
Hohe Gesangskultur: Hugo-Distler-Ensemble aus Lüneburg
gastiert mit Musik zum Totensonntag in der Großen Kirche
Die Männerstimmen beginnen, die Frauenstimmen legen sich darüber: „O sacrum convivum“ (O heiliges Gastmahl) singen sie im schwingenden Rhythmus, bis der Hörer glaubt: Da läuten Glocken. Die A-cappella-Motette des Litauers Vytautas Miskinis erwies sich beim Konzert des Lüneburger Hugo-Distler-Ensembles in der Großen Kirche als Werk von enormem Klangreiz. Eher unbekannte Werke auszuwählen, zahlte sich an diesem Abend vor Totensonntag unbedingt aus.
Zu entdecken war etwa das 1989 vefasste „Prager Te Deum“ des Tschechen Petr Eben. Dafür hatte Chorleiter Erik Matz fünf vorzügliche Instrumentalisten mitgebracht: die Trompeter Rita Arkenau-Sanden und Oliver Christian, die Posaunisten Steffen Happel und Hiroaki Sasaki sowie Schlagzeuger Clemens Bütje. Der Einsatz von Triangel, drei Pauken und Röhrenglocken, die gestopfte Trompete und der mit den ausgefeilten Chorstimmen verwobene, an Janácek erinnernde Bläsersatz machten unerhört Effekt. Dazu brillierte Kantor David Schollmeyer an der Orgel noch mit dem Finale aus Petr Ebens „Sonntagsmusik“ von 1958. Der hochvirtuose Satz im Stil französischer Toccaten versteckt – an der·Ohren der kommunistischen Kulturfunktionäre vorbei – die katholische Sequenz „Salve Regina“.
Blech und Pauken (samt Truhenorgel) hatten auch zu Beginn des Konzerts Henry Purcells Trauermusik, 1695 zum Begräbnis der englischen Queen Mary II. komponiert, das Geleit gegeben. Hier ließen die 16 Sängerinnen und 12 Sänger bei aller Kunstfertigkeit noch ein paar Eintrübungen erkennen. Denn so fein abgestimmt sich die klagenden Halbtonschritte in die Höhe schraubten: Mancher Sopraneinsatz wirkte recht angestrengt, und vom Text verstand man wenig. Auch Johann Sebastian Bachs doppelchöriger Motette „Komm, Jesu, komm“ BWV 229 fehlte – ohne stützende Continuo-Begleitung – die letzte Geschmeidigkeit und lntonationssicherheit.
Um so stimmungsvoller die Beiträge der Romantik: das „Requiem“ von Peter Comelius und die 16-stimmige Fassung von Gustav Mahlers Lied „Ich bin der Welt abbänden gekommen“. Mit dem „Rausschmeißer“ wuchs die Begeisterung der kleinen Hörerschar noch mehr: Sie durfte in Colin Mawbys pompöse Version des Liedes „Großer Gott. wir loben dich“ kraftvoll einstimmen.
(Sebastian Loskant, Nordseezeitung, Bremerhaven)